Die Rolle von Haustieren in der Pandemieforschung: Ein Interview mit Tierärztin Simone Schuller
Haustiere spielten während der Pandemie eine unerwartete Rolle. Anfangs war unklar, ob sie Viren verbreiten könnten, doch bald stellte sich heraus, dass insbesondere Katzen das Coronavirus weitergeben können. Diese Erkenntnis führte zu einer intensiveren Untersuchung von Haustieren, um ein umfassenderes Bild von Infektionswegen zu erhalten. Simone Schuller, Co-Leiterin der BEready-Kohortenstudie und Tierärztin gibt im Interview Einblicke in die Forschungsarbeit und die ersten Ergebnisse zur Pilotstudie.
Text von Emily Lim
Welche Rolle spielten Haustiere während der Pandemie und wie kam die Idee zu dieser Studie?
Zu Beginn der Pandemie war unklar, ob Heimtiere bei der Verbreitung von SARS-CoV-2 eine Rolle spielen. Bald stellte sich heraus, dass Katzen sich mit SARS-CoV-2 infizieren und es weitergeben können. Dies machte uns bewusst, dass Haustiere, die eng mit Menschen zusammenleben, zur Verbreitung von Viren beitragen können. Haustiere sind Teil vieler Familien und standen während des Lockdowns weiterhin in Kontakt mit der Aussenwelt. Daher beschlossen wir, auch Tiere in unsere Untersuchungen mit einzubeziehen, um ein umfassenderes Bild zu bekommen.
Welche Übertragungswege von Erregern zwischen Tieren und Menschen gibt es?
Einige Parasiten wie Echinococcus beim Hund oder Toxoplasmen bei der Katze werden über den Kot ausgeschieden und können auf diesem Weg den Menschen infizieren. Multiresistente Keime, die schwer zu behandeln sind, können ebenfalls vom Tier auf den Menschen übertragen werden. Daher ist Hygiene besonders wichtig, insbesondere nach dem Kontakt mit Kot oder Urin der Tiere.
Welche Hygienemassnahmen empfehlen Sie, um die Übertragung von Erregern vom Tier auf den Menschen zu verhindern?
Grundlegende Hygienemassnahmen wie Händewaschen nach dem Kontakt mit Kot oder Urin sind essenziell. Ausserdem sollten Tiernäpfe nicht mit dem Geschirr der Besitzer:innen gereinigt werden und Tiere sollten nicht vom Teller der Besitzer:innen fressen. Es ist auch ratsam, sich nicht von Tieren ins Gesicht lecken zu lassen und zu überlegen, ob das Tier im Bett schlafen sollte, um mögliche Kontaminationen zu vermeiden. Schwangere Frauen sollten besonders vorsichtig sein und das Katzenklo von jemand anderem reinigen lassen, um das Risiko einer Toxoplasmose-Infektion zu minimieren.
Welche Auswirkungen hatte die Pandemie auf getroffene Entscheidungen und wie hätten diese mit mehr Daten anders ausfallen können?
Anfangs der Pandemie wurden viele Entscheidungen getroffen, ohne dass man genug Daten hatte. Es wurden Massnahmen ergriffen, die sich später als zu drastisch oder nicht ausreichend herausstellten. Man tastete sich langsam heran und traf irgendwann fundiertere Entscheidungen. Mit einer umfassenden Kohortenstudie hoffen wir, Grundlagen zu schaffen, um bereits im Frühstadium einer Pandemie bessere Entscheidungen treffen zu können. Durch die Analyse archivierter Proben können wir Veränderungen in der Verbreitung von Erregern frühzeitig erkennen und somit informierte Entscheidungen treffen.
Welche Gesundheitszustände haben Sie bei den Tieren in der BEready-Kohorte während der Pilotstudie beobachtet?
Die meisten Tiere waren gesund, einige waren leicht übergewichtig, was jedoch keine ernsthafte Krankheit darstellt. Die Besitzer:innen achten sehr auf die Gesundheit ihrer Tiere, einschliesslich präventiver Massnahmen wie Entwurmungen und Impfungen. Dadurch wird das Risiko für zoonotische Erkrankungen – also Krankheiten, die vom Tier auf den Menschen übertragbar sind – reduziert.
Wie sammeln Sie Proben von Tieren und welche Tiere sind In Ihrer Studie eingeschlossen?
Wir sammeln Blutproben nur von Hunden und Katzen, da dies bei kleineren Tieren schwierig ist. Abstriche und Kotproben werden auch von kleineren Tieren genommen. Nutztiere sind derzeit nicht eingeschlossen, könnten aber in Zukunft relevant sein, da auch sie engen Kontakt zu Menschen haben. Die Entscheidung, vorerst nur Heimtiere einzubeziehen, basiert auf der Machbarkeit und dem Umfang der Studie.
Wie beeinflusst der Stress durch Untersuchungen die Tiere in der Kohorte?
Der Stress hängt stark von der Sozialisierung und dem individuellen Temperament der Tiere ab. Manche Tiere reagieren gelassen auf Transporte und Untersuchungen, während andere gestresst sind. Wir versuchen, den Stress durch ruhige Umgebung und sanften Umgang zu minimieren. Sollte ein Tier zu gestresst sein, verzichten wir auf invasive Probenentnahmen und konzentrieren uns auf nicht invasive Untersuchungen und Gespräche mit den Besitzer:innen.
Kann der Kontakt zu Tieren die Immunität der Besitzer:innen positiv beeinflussen?
Ja, es gibt verschiedene Aspekte, die dafür sprechen. Studien zeigen, dass Kinder, die auf dem Land aufwachsen und Kontakt zu Tieren haben, seltener an Asthma leiden. Dies könnte daran liegen, dass das Immunsystem durch den Kontakt zu Tieren besser trainiert wird. Ausserdem müssen Hundebesitzer:innen regelmässig spazieren, was Bewegung, frische Luft und Sonnenlicht mit sich bringt – alles Faktoren, die das Immunsystem stärken. Auch der emotionale Kontakt zu Tieren reduziert Stress, was ebenfalls das Immunsystem positiv beeinflusst. Allerdings reicht es nicht aus zu sagen, dass Tierbesitzer:innen grundsätzlich gesünder sind, es gibt viele Faktoren, die zu einem gesunden Lebensstil beitragen.
Die Einbeziehung von Haustieren in Kohortenstudien zur Untersuchung von Pandemien und Infektionskrankheiten ist ein wichtiger Schritt, um umfassendere Daten zu Übertragungskrankheiten zwischen Mensch und Tier zu gewinnen. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse können dazu beitragen, fundierte Entscheidungen zu treffen und die Gesundheit sowohl von Menschen als auch von Tieren besser zu schützen.