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Vogelgrippe in den USA: Gefahr auch für die Schweiz?

Seit Ende März 2024 gibt es in den USA mehr als 170 bestätigte Fälle der Vogelgrippe (H5N1) bei Kühen. Uns hat interessiert, wie Expert:innen die Lage für die Schweiz einschätzen. PD Dr. Christian Althaus vom Institut für Sozial- und Präventivmedizin und Dr. med. vet. PhD Barbara Wieland, die Leiterin des Instituts für Virologie und Immunologie, haben uns die brennendsten Fragen beantwortet. 

Text von Franziska Iff

Wie sind die Menschen in der Schweiz auf eine durch Vogelgrippe verursachte Pandemie vorbereitet?

PD Dr. Christian Althaus: Die während der Covid-Pandemie gemachten Erfahrungen haben die Bevölkerung sicherlich für zukünftige Pandemien sensibilisiert. Ich denke deshalb, dass es im Falle einer erneuten schweren Pandemie einfacher wäre, die eher niederschwelligen Massnahmen wie Maskentragen, Homeoffice oder Versammlungs- und Veranstaltungsobergrenzen vertrauensvoll umzusetzen, damit strengere Massnahmen wie Laden- oder Schulschliessungen nicht notwendig würden.

Müssen wir uns Sorgen um unsere Katzen machen?

Althaus: Katzen können sich durch den Verzehr von infizierten Vögeln oder das Trinken der Milch von infizierten Kühen mit Vogelgrippe anstecken. Da es in der Schweiz seit diesem Jahr keine bestätigten Fälle der Vogelgrippe in Wild- oder Zuchtvögeln mehr gibt und es auch zu keinen Fällen in Milchkühen gekommen ist, besteht zurzeit keine Gefahr für Katzen.

Gibt es Daten/Fälle von Mensch-zu-Mensch Übertragung?

Althaus: Es gab in den letzten 20 Jahren einzelne Hinweise für eine Mensch-zu-Mensch-Übertragung der Vogelgrippe, diese konnten bis heute aber nicht mit letzter Sicherheit bestätigt werden.
 

Wie könnte H5N1 über Tiere in die Schweiz gelangen?

Barbara Wieland: Die Wahrscheinlichkeit, dass das H5N1 von den USA in die Schweiz gelangt, ist sehr tief. Die Schweiz importiert keine lebenden Rinder aus den USA. Der einzige Weg wäre daher via Wildvögel, aber dann wäre das H5N1 noch nicht in den Kühen. Basierend auf bisherigen Erkenntnissen wird aber ein erneuter Übertrag von Vögeln in Kühe nach wie vor als sehr seltenes Ereignis erachtet. Dazu braucht es eine hohe Virenlast in der Umgebung wie man sie zum Beispiel bei einem Grossausbruch in Wildvögel oder in Nutzgeflügel hat. Ein Übertrag von Vögeln zu Kühen könnte auch durch in Europa zirkulierende H5N1 Virenstämme geschehen. Aber auch dieses Szenario ist momentan unwahrscheinlich. In der Schweiz haben wir seit Monaten keine Anzeichen von Viruszirkulation in Geflügel oder Wildvögel und auch in ganz Europa hat sich die H5N1-Lage in den letzten Monaten beruhigt. 

Würden wir merken, wenn H5N1 in der Schweiz angekommen ist? 

Wieland: Die typischen klinischen Symptome bei Kühen sind eine massive Mastitis mit einem akuten Milchrückgang. In einer infizierten Herde wären schnell mehrere Kühe betroffen, was bei einer normalen Mastitis selten vorkommt. Da wir nun die Sensibilität haben, würde man bei untypischen Fällen von Mastitis schnell auf H5N1 testen. 

Wie erfolgt die Überwachung? 

Wieland: Die effizienteste Früherkennung ist die Verdachtsmeldung durch die Personen aus der Landwirtschaft und/oder Veterinärmediziner:innen. Eine hohe Sensibilisierung macht dort also Sinn. Ausserdem hat die Schweiz ein engmaschiges System basierend auf Tankmilchuntersuchungen zur Sicherung der Milchqualität, das unspezifische Fälle oder subklinische Mastitis feststellen könnte. Bei speziellen Risikolagen hätte man durch dieses System einfachen Zugriff auf Tankmilch um zum Beispiel risikobasiert auf H5N1 zu testen. Zudem ist das Virus auch im Abwassermonitoring abgedeckt, was als Ergänzung zur Früherkennung angesehen werden kann. 

Wie schnell könnte man die Infektionsketten unterbrechen? 

Wieland: Mit den Systemen, die wir in der Schweiz haben und mit der Erfahrung mit Tierseuchenausbrüchen, könnte man Infektionsketten in der Schweiz schneller unterbrechen als das in den USA möglich ist. Dabei spielt die Tierverkehrsdatenbank, in der alle Kühe und ihre Bewegungen zwischen Betrieben registriert sind, für die Möglichkeiten der Überwachung eine wichtige Rolle. Die Voraussetzungen in der Schweiz sind nicht mit der Situation in den USA vergleichbar. 

Die Schweiz hat ein funktionierendes Melde- und Testsystem, das im Fall eines aktuell nicht sehr wahrscheinlichen Ausbruchs von H5N1 in Kühen Daten liefert, die eine adäquate Reaktion ermöglichen.